Glück als Schulfach
Es ist nicht leicht, Glück in sich selbst zu finden, aber unmöglich, es anderswo zu finden. (Agnes Repplier)
Für die Persönlichkeitsentwicklung und die Identitätsbildung Jugendlicher und junger Erwachsener ist die Kompetenz im Umgang mit den eigenen Gefühlen von sehr großer Bedeutung. Gut mit den eigenen Gefühlen umgehen zu können gilt heute als eine der wichtigsten Fähigkeiten um in der Lebensrealität klar zu kommen.
Leider scheint die Vermittlung emotionaler Kompetenzen an deutschen Schulen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, wenn überhaupt. Laut Julius Grund und Jorrit Holst (Emotional competence: The missing piece in school curricular? A systematic analysis in the German education system. International Journal of Educational Research Open, 2023), die mehr als 400 Lehrpläne aus allen Schularten, von der Grundschule bis zum Gymnasium, inhaltsanalytisch ausgewertet haben, tauchte das Thema "emotionale Kompetenz" in 40% der Lehrpläne nicht mal auf. In den übrigen auch überwiegend nebensächlich.
Die Kriterien nach denen gesucht wurde waren: Wissen und Denken über Emotionen, das Erkennen und der Ausdruck von Gefühlen, die Emotionsregulierung sowie Empathie. Textstellen in den Lehrplänen die sich mit Emotionen beschäftigten sich zu einem Drittel mit dem Ausdruck von Emotionen und in weniger als 5 % der Fälle auf die Emotionsregulation.
Dabei ist gerade das Erlernen der Emotionsregulation eine der wichtigsten pädagogischen Aufgaben wenn es um Gefühle geht. Denn was hilft es jungen Menschen, wenn sie zwar ein wenig Grundwissen über den Ausdruck der Gefühle haben, jedoch keine Kompetenz im Umgang mit den eigenen Gefühlen vermittelt bekommen?
In meiner Tätigkeit als Dozentin in der Ausbildung für angehende Heilpraktiker für Psychotherapie sprach ich diese Woche mit einer Studentin. Sie ist Lehrerin an einer Grundschule und hat gerade eine Fortbildung mit dem Titel "Das Schulfach Glück" gemacht. Als sie mir beschrieb was sie dort gelernt hat, und dass sie zukünftig sogar Unterrichtszeit dafür bekommt, ging mir das Herz auf.
Denn um emotionale Kompetenz zu lernen, müssen wir erstmal lernen, Glück selber herzustellen. Und genau darum geht es in dem Schulfach Glück. Die Kinder lernen wie sie sich selbst glücklich machen können, was sie tun können um sich besser zu fühlen. Und wer sich gut fühlt kann sich auch um das Glück der anderen kümmern, soziale und emotionale Kompetenz entwickeln.
Nun, leider werden wir unser Bildungssystem so schnell nicht so grundlegend verändern können, dass wir uns darauf verlassen können, dass junge Menschen, die die Schule abgeschlossen haben auch ausreichen sozial und emotional Kompetent sind, um in der "Erwachsenenwelt" zu bestehen.
In meine Praxis kommen besonders in den letzten 2 Jahren immer mehr junge Menschen, die, trotz Schulabschluss, abgeschlossener Ausbildung/Studium, noch nicht annähernd zu sich gefunden haben, und auch keine Idee haben, wie sie sich auf die Suche oder auf den Weg machen können.
Was sie sehr wohl wissen ist, dass sie sowohl emotional als auch sozial immer schneller an ihre Grenzen stoßen. Sie sind schon in jungen Jahren völlig überlastet, schlafen schlecht, haben Zukunfts- oder soziale Ängste, fühlen sich überfordert oder lustlos und erschöpft.
Auf die Frage "was bereitet dir Freude?" oder "was macht dich glücklich?" haben nur die wenigsten eine Antwort. Gerade für junge Menschen in der Orientierung ist es so wichtig, dass sie ein Konzept haben, wie sie selbst aus eigenem Antrieb Glück herstellen können. Denn wenn sie dies nicht haben, sind sie stark gefährdet sich auf ihrer Suche nach Glück zu verirren. Sie verlieren sich dann schnell in Drogen, Alkohol, online Spiele, social Media etc. alles das was sehr schnell starke Glücksgefühle macht, kurzfristig, bis wieder "nachgelegt" werden muss. Die Verlockungen sind mittlerweile so vielfältig und unbegrenzt verfügbar, dass die Gefahr so hoch ist wie nie zuvor.
Unsere wichtigste Aufgabe wenn wir mit jungen Menschen zusammen sind, sie begleiten, Beruflich oder privat, ist es also ihnen zu vermitteln wie sie selbst Glück herstellen können. Denn wenn sie wissen, wie sie sich selbst glücklich machen können, sind sie schon einen großen Schritt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung voran gekommen. Vor allem aber lernen sie ihre Stärken kennen, ihre Ressourcen, auf die sie sich verlassen können. Sie können selbstbewusster durch ihr Leben gehen und werden Schritt für Schritt immer resilienter, widerstandsfähiger, um auch mit Gegenwind und Herausforderungen umgehen zu können.
Eine der ersten "Hausaufgaben" die Klienten von mir bekommen, ist das schreiben eines Glückstagebuchs. Die Aufgabe heißt: schreibe jeden Abend vor dem Schlafengehen 3 Dinge auf, die heute gut gelungen sind und/oder die dich heute glücklich gemacht haben.
Probieren es doch einmal aus und schauen was es mit dir macht. Ich verspreche es ist ein sehr geringer Aufwand mit umso größerer Wirkung.
Ich freue mich davon zu hören was es bei dir bewegt, denn nur wenn sich etwas bewegt können wir auch voran kommen 💚
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