Gehört Sucht- und Gewaltprävention in den Kindergartenalltag?
Auf jeden
Fall!
- und
warum ein 2-stündiges Suchtpräventions-Seminar in der 8. Jahrgangsstufe nicht
ausreicht -
Immer wieder
stoße ich auf skeptische Blicke, wenn ich mich dafür einsetze, dass
Suchtprävention möglichst frühzeitig, also mindestens im Kindergarten, beginnen
sollte.
Dabei legen
wir besonders im Kindergartenalter wichtige Grundsteine der Lebenskompetenz, auf
die unsere Kinder ein Leben lang zurückgreifen können.
Der
Kindergarten bietet, neben der Familie, ein breites Übungs- und Lernfeld für
die Entwicklung und Stärkung dieser Kompetenzen. Lebenskompetenzen werden auch
als Schutzfaktoren bezeichnet, kommen der persönlichen Gesundheit zugute, sind
identitätsbildend und resilienzfördernd.
Kinder, die
auf diese Ressourcen zurückgreifen können, die vielfältige Verhaltensweisen und
personale Kompetenzen gebildet haben, die sich gut kennen, sind gut gerüstet
für die Welt, in der sie sich bewegen.
Suchtprävention nimmt
diese umfassende Stärkung der Lebenskompetenzen im Bereich der frühkindlichen
Bildung in den Blick. Die Kindertageseinrichtung als Orte der frühkindlichen Bildung
erreicht nahezu alle Kinder und ist ein wertvoller Schlüssel für die
Lebenskompetenzförderung.
Konkret ist
demnach die Unterstützung, Fortbildung und Stärkung der pädagogischen
Fachkräfte zu Konzepten und Methoden der Lebenskompetenzförderung ein zentraler
Baustein, um die Potenziale und Ressourcen der Mädchen und Jungen zu erreichen.
- Was ist für ein gelingendes
kommunikatives Miteinander hilfreich?
- Wie kann es gelingen, dass
Kinder ihre Gefühle differenziert wahrnehmen und ausdrücken?
- Wie können Kinder konstruktiv
streiten?
Kinder, die
diese Kompetenzen abrufen können, sind gestärkt gegen Sucht- und viele anderen gefahren.
»Lebenskompetent ist, wer sich selbst
kennt und mag, empathisch ist, kritisch und kreativ denkt, wer kommunizieren
und Beziehungen führen kann, durchdachte Entscheidungen trifft, erfolgreich
Probleme löst sowie Gefühle und Stress bewältigen kann.«
Weltgesundheitsorganisation - WHO 1994
Die
Vulnerabilität, also die Anfälligkeit, für Suchtstörungen setzt sich aus
folgenden Faktoren zusammen:
-
Störung
der Emotionskontrolle
-
Neigung
zu Impulsivität und/oder Angst und Depressionen
-
Soziale
Isolation und Einsamkeit
-
Negative
Rollenmodelle
-
Peer-Druck
(Gruppen-Druck)
-
Hohe
Stresssensibilität und Stressreagibilität
Und genau hier sollte Suchtprävention so früh wie möglich ansetzen. Durch Angebote im Bereich Entspannung/Achtsamkeit lernen Kinder Methoden und Techniken mit Stress und Anspannung umzugehen und Ängste in den Griff zu bekommen. Mit einer gut angeleiteten Konfliktkultur, also wie streite ich richtig, lernen Kinder schon früh mit ihren Emotionen umzugehen und Impulsivität zu kontrollieren. All das trägt zu einem gesunden Selbstwert und Selbstvertrauen bei, sodass diese Kinder standhaft gegenüber dem Druck im Freundeskreis bleiben können.
Nun haben
sie vielleicht ein Kind, welches bereits aus dem Kindergartenalter raus ist, und
fragen sich, wie sie das nun rückgängig machen, oder ob es überhaupt möglich
ist, nachzuholen was in frühen Jahren verpasst wurde. Bevor sie nun den Kopf in
den Sand stecken und das bedauern was nicht stattgefunden hat: Kopf hoch,
nichts ist verloren und es ist nicht zu spät!
Wichtig ist:
gehen sie es an!
Immer wieder
höre ich von Eltern, dass sie Sorge haben, dass sie ihre Kinder erst auf dumme
Ideen bringen, wenn sie sich zu dem Thema Sucht bzw. Konsum mit ihren Kindern auseinandersetzen.
So kommt es dazu, dass Eltern Verbote aufstellen und Kinder versuchen diese zu
umgehen.
Ein wirklicher
Austausch findet kaum noch statt.
Kinder
trauen sich nicht mehr mit ihren Fragen zu diesem Thema zu ihren Eltern zu
gehen, denn sie spüren oder wissen, dass ihre Eltern sich mit diesem Thema unwohl fühlen,
vielleicht auch unsicher sind, wie sie sich richtig verhalten sollen. Also
passiert in der Regel immer der gleiche Kreislauf: Eltern stellen
Regeln/Verbote auf (häufig nicht logisch oder nachvollziehbar für die Kinder/Jugendlichen),
die Kinder/Jugendlichen versuchen diese zu Umgehen und probieren sich heimlich
aus.
Denn sein
wir mal ehrlich, Verbote haben auch schon bei uns nicht wirklich funktioniert.
Unsere
Kinder und Jugendlichen sind mit diesem Thema also eigentlich sich selbst
überlassen, bzw. müssen sich auf die Erfahrungen und das Wissen über mögliche
Gefahren und Grenzen ganz auf ihr soziales Umfeld (Peer-Group) verlassen.
Dies führt
leider immer häufiger dazu, dass bereits Kinder und Jugendliche, nicht selten
erst zwischen 12 und 16 Jahren, mit Alkoholvergiftungen (oder schlimmeren) im
Krankenhaus landen.
Was können
Eltern, und natürlich auch Lehrer und alle anderen erwachsenen Bezugspersonen, nun
also tun?
Seien sie mutig!
Mutig sein heißt, dass sie darüber reden (auch über ihre Unsicherheit mit diesem Thema). Ihre Kinder müssen sich trauen mit
Fragen zu ihnen zu kommen, nur so können sie im Dialog bleiben. Im Dialog sein
bedeutet nicht, dass sie auf jede Frage eine Antwort haben müssen, es bedeutet
vielmehr, dass ihre Kinder sich trauen, jede Frage zu stellen.
Das
erfordert großen Mut ihrerseits, denn wir Eltern verspüren oft den Druck, auf
jede Frage sofort die richtige Antwort haben zu müssen.
Doch ist es
nicht viel wertvoller, wenn wir unseren Kindern vermitteln, dass auch wir
erwachsenen nicht immer auf alles eine Antwort haben? Denn so können wir als
Vorbilder Problemlösekompetenz vermitteln. Wir können gemeinsam nach
Informationen suchen und so gemeinsam Antworten finden und im Dialog bleiben.
Eltern
können ihren Kindern so zeigen, dass man nicht in jedem Gebiet Experte sein
kann oder muss, man sollte nur wissen, wie man an Experten oder deren Wissen rankommt
= Lebenskompetenz.
Aus meiner
Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann ich mit voller Überzeugung
sagen, dass Aufklärung über die verschiedenen Suchtmittel und den Gefahren, die
mit dem Konsum verbunden sind, das wirksamste Mittel in der Suchtprävention
sind. Der erhobene Zeigfinger dagegen führt in den meisten Fällen zu Widerstand, Trotz und Neugier das Unbekannte und Verbotene zu erforschen.
Kein Mensch
entscheidet sich bewusst dafür süchtig zu werden!
Jugendliche,
die wegen gefährlichem Konsumverhalten im Krankenhaus oder in der Suchtberatung
landen, berichten in der Regel davon, dass sie nicht aufgeklärt waren oder die Wirkung über die
Gefahren des Konsums (Alkohol, Drogen, Medikamente etc) unterschätzt haben, sie wussten nicht
genau auf was sie sich einlassen.
Unsere
Aufgabe, die Aufgabe der Eltern und der Bezugspersonen, muss es also sein die
Kinder und Jugendlichen aufzuklären. Aufzuklären über die Gefahren die ein
möglicher Konsum mit sich bringt, (ohne Verbote, Drohungen oder unsinnige Konsequenzen anzudrohen). Dass auch Alkohol gefährlich werden kann. Auch
wenn Alkohol, leider, für viele Erwachsene zum Alltag gehört und man sich
häufig rechtfertigen muss, wenn man nicht trinkt (doch das ist ein anderes
Thema). Und auch dass kiffen vielleicht keine Einstiegsdroge ist (hierüber kann
man durchaus diskutieren), denn nicht jeder der kifft greift automatisch zu
anderen, härteren Drogen. Dennoch ist es meiner Erfahrung nach so, dass eine
überschaubar kleine Gruppe von Menschen mit Suchtmittelkonsumstörungen nicht
irgendwann zu Beginn ihrer „Suchtkarriere“ mal gekifft haben…
Wenn sie nun
also als Eltern, Lehrer, Erzieher oder in irgendeiner anderen Funktion/Rolle Ansprechpartner
für Kinder/Jugendliche sind, scheuen sie sich nicht auch von eigenen
Erfahrungen zu berichten, es wäre doch wunderbar, wenn ihre Schützlinge aus
ihren Erfahrungen lernen könnten und nicht die möglicherweise gleichen Fehler wiederholen. Scheuen sie sich auch nicht zu sagen „ich
weiß es nicht, damit kenne ich mich nicht aus“, denn es gibt auf jedem Gebiet
Experten, man muss nur wissen, wie man sie findet und trauen nachzufragen.
Seien sie
Vorbild, zeigen sie wie man Probleme angeht, vermitteln sie Lebenskompetenz und
bleiben sie im Dialog. Nur sie können eine Atmosphäre schaffen, in dem keine
Frage ein Tabu ist, indem ihre Kinder und Jugendlichen sich auch dann trauen zu
ihnen zu kommen, wenn sie oder ihre Freunde „Dummheiten“ gemacht haben. Fehler
passieren und Jugendliche schießen manchmal über das Ziel hinaus.
Jugendliche
müssen ihre Grenzen entdecken dürfen, wir sollten sie dabei begleiten, indem
wir aufklären und vertrauen, dass sie die richtige Entscheidung treffen (und
wenn sie einmal über ihre Grenze gegangen sind, ist es umso wichtiger da zu
sein).
Daher reicht es eben nicht (um auf das Titelthema zurück zu kommen), wenn in der 7. oder 8. Jahrgangsstufe, jemand externes eingeladen wird um mit erhobenem Zeigefinger (wir erinnern uns, dass der noch nie wirklich gut funktioniert hat) eine Doppelstunde davon redet, wie schlecht Alkohol ist (auf andere Suchtmittel wird hier in der Regel nur kurz eingegangen), und dass man gar nicht erst anfangen darf zu trinken. Dies wird Kindern und Jugendlichen erzählt, die dann Heim gehen und das erste was der Papa macht wenn er Heim kommt (Achtung Klischee) ist sich ein Bier zu öffnen, während Mama sich längst ein Glas Wein eingeschenkt hat, was sich beide natürlich nach einem harten Arbeitstag wohl verdient haben...
Seien sie mutig, gehen sie vorbildlich voran und klären sie sich auf um im Dialog zu bleiben.
Natürlich stehe ich ihnen auch für eine Beratung hier sehr gern zur Verfügung.

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